20.02.2023

Sachkunde für Versicherungsvermittler

1. Wer benötigt die Sachkunde?

Grundsätzlich benötigt jeder, der gewerbsmäßig als Versicherungsvermittler oder als Versiche­rungsberater tätig werden möchte, die Erlaubnis nach § 34d GewO. Diese wird nur erteilt, wenn der Antragsteller bei der IHK unter anderem die notwendige Sachkunde nachweist. Ist der Antrag­steller eine „natürliche Person“ bzw. Kleingewerbetreibender, ist der Sachkundenachweis grundsätzlich durch diese Per­son zu erbringen. Handelt es sich beim Antragsteller um eine juristische Person (z. B. Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft), ist der Sachkunde­nachweis grundsätzlich durch die gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer/Vorstand) zu erbringen. In Ausnahmefällen besteht aber die Möglichkeit, den Sachkundenachweis auf Angestellte zu dele­gieren.
Der Nachweis der Sachkunde kann erfolgen durch:
  • eine erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung,
  • eine gleichgestellte Berufsqualifikation oder
  • durch Bestandsschutz („Alte-Hasen-Regelung").
Angestellte, die unmittelbar in der Beratung und Vermittlung eingesetzt sind, müssen ebenfalls zuverlässig sein und über eine für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung sachgerechte Qualifikation verfügen (§ 34d Abs. 9 GewO). Dies ist vom Arbeitgeber sicherzustellen. Wird hiergegen verstoßen, sieht der Gesetzgeber Sanktionen vor, bis hin zu einem Beschäftigungsverbot. Im Extremfall kann der Einsatz solcher Mitarbeiter sogar zum Widerruf der eigenen Erlaubnis führen.

2. Wo sind die inhaltlichen Anforderungen der Sachkundeprüfung geregelt?

Einzelheiten zur Prüfung hat der Gesetzgeber in der Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) geregelt. Die inhaltlichen Anforderungen ergeben sich aus dem Rahmenstoffplan „Versicherungsfachmann, -frau IHK“.

3. Wer ist für die Abnahme der Sachkundeprüfung zuständig?

Die Abnahme der Sachkundeprüfung erfolgt durch die Industrie- und Handelskammern.  

4. Wie sieht die Prüfung aus?

Die Sachkundeprüfung besteht aus einem schriftlichen und einem praktischen Prüfungsteil, wobei man unter bestimmten Voraussetzungen vom praktischen Prüfungsteil befreit werden kann.
Der schriftliche Prüfungsteil erfolgt am Computer und dauert 160 Minuten. Dabei werden praxisbezogene Aufga­ben, versicherungsfachliche und rechtliche Kenntnisse werden geprüft. Die Aufgaben sind pro Prüfungstermin bundesweit einheitlich. Die Prüfung wird mit bestanden oder nicht bestanden bewertet. Der schriftliche Prüfungsteil muss erfolgreich abgelegt werden, um an der praktischen Prü­fung teilnehmen zu können.  
Der praktische Prüfungsteil besteht aus der Simulation eines Kundengesprächs. Der Prüfling sitzt einem Mitglied des Prüfungsausschus­ses („Prüferkunde“) in einem Rollenspiel gegenüber. Geprüft werden darf jeweils nur ein Prüfling. Grundlage des Prüfungsgespräches ist ein Fallbeispiel. Die Prüfungsdauer beträgt 20 Minuten. Nach bestandener Prüfung erhält der/die Teilnehmer/-in eine Bescheinigung über den Abschluss „Geprüfte Fachfrau für Versicherungsvermittlung IHK“ oder „Geprüfter Fachmann für Versicherungsvermittlung IHK“. 
Die Sachkundeprüfung kann beliebig oft wiederholt werden.

5. Wer kann vom praktischen Prüfungsteil befreit werden?

Prüfungsteilnehmer mit  
  • einer Erlaubnis nach § 34f als Finanzanlagenvermittler, nach § 34h als Honorar-Finanzanlagenberater oder nach § 34i der Gewerbe­ordnung (GewO) als Immobiliardarlehensvermittler oder
  • die bereits eine Sachkundeprüfung als "Finanzanlagenfachmann/-frau IHK" oder als "Fach­mann/-frau für Immobiliardarlehensvermittlung IHK" erfolgreich abgelegt haben,
können vom praktischen Prüfungsteil befreit werden.

6. Welche Ausnahmen gibt es für den Sachkundenachweis? („Alte-Hasen-Regelung“)

Personen, die (mindestens) seit 31. August 2000 selbstständig oder unselbstständig ununterbro­chen als Versicherungsvermittler oder -berater tätig sind, müssen keine Sach­kundeprüfung ablegen. Sie gelten aufgrund der Bestandsschutzregelung („Alte-Hasen-Regelung“) in § 2 Abs. 3 VersVermV als sachkundig.
Die Vermittlungs- und Beratungstätigkeit muss tatsächlich ohne Unterbrechung ausge­übt worden sein. Die Berufserfahrung kann nachgewiesen werden bei einer selbständigen Tätigkeit z. B. durch die Vorlage einer Gewerbeanmeldung (Ko­pie) und entsprechender Provisionsabrechnungen (pro Halbjahr ein Nachweis), bei einem Arbeitsverhältnis durch die Vorlage eines Arbeitszeug­nisses oder einer Bestä­tigung des Arbeitgebers.  
Sofern die eingereichten Dokumente für den Nachweis der ununterbroche­nen Tätigkeit nicht ausreichend sind, kann die IHK weitere Belege wie beispielsweise Be­stätigungen von Versicherungsunternehmen, Kopien von Courtagevereinbarungen, Provisionsab­rechnungen, Agenturverträge und/oder vergleichbare Dokumente nachfordern. Vorsorglich können dem Erlaubnisantrag solche Dokumente auch direkt beigefügt werden. 

7. In welchen Fällen muss ein Sachkundenachweis nicht erbracht werden?

Nicht nachweispflichtig sind sogenannte Annex- oder auch Bagatellvermittler, die nach § 34d Abs. 8 GewO nicht unter die Erlaubnis- und Registrie­rungspflicht fallen. 
Produktakzessorische Vermittler können nach § 34d Abs. 6 GewO auf Antrag von der Erlaub­nispflicht befreit werden. Hier übernehmen Obervermittler oder Versicherungsunter­nehmen die Gewähr für eine entsprechende Qualifikation. 
Auch ein gebundener Versicherungsvertreter, der nach § 34d Abs. 7 GewO ausschließlich im Auftrag eines oder, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen, mehrerer Versicherungsunternehmen tätig ist und bei dem das oder die Versicherungsunternehmen die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlertätigkeit übernommen hat/haben, muss gegenüber der IHK keine Sachkunde nachweisen. Das/die Versicherungsunternehmen hat/haben allerdings für eine entsprechende Qualifikation des Vermittlers zu sorgen. 

8. Welche Berufsqualifikationen werden als Nachweis der Sachkunde anerkannt?

Von der Sachkundeprüfung befreit sind Personen, die eine „gleichgestellte“ Berufsqualifikation nachweisen können. Der Gesetzgeber hat mit § 5 VersVermV einen abschließenden Katalog von anerkannten Berufsqualifikationen (und den entsprechenden Vorläuferberufen) geschaffen:
1. Abschlüsse ohne weitere Berufserfahrung
  • als Versicherungskaufmann oder –frau oder Kaufmann oder –frau für Versicherungen und Finanzen
  • als Versicherungsfachwirt/-in oder geprüfte/-r Fachwirt/-in für Versicherungen und Finanzen oder
  • als geprüfte/-r Fachwirt/-in für Finanzberatung
2. Abschlüsse mit mindestens einjähriger Berufserfahrung im Bereich Versicherungsvermittlung oder Beratung: 
  • eines betriebswirtschaftlichen Studiengangs der Fachrichtung Bank, Versicherungen oder  Finanzdienstleistung mit einem Hochschulabschluss oder einem gleichwertigen Abschluss
  • als geprüfter Fachberater oder -beraterin für Finanzdienstleistungen (IHK) mit abgeschlossener Ausbildung als Bank- oder Sparkassenkaufmann/ –frau  oder
  • als geprüfte/-r Fachberater/-in für Finanzdienstleistungen (IHK) mit abgeschlossener allgemeiner kaufmännischen Ausbildung oder
  • als geprüfte/-r Finanzfachwirt/-in (FH) mit einem abgeschlossenen weiterbildenden Zertifikatsstudium an ei­ner Hochschule     
3. Abschlüsse mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung im Bereich Versicherungsvermittlung oder Beratung:
  • als Bank- oder Sparkassenkaufmann/ –frau oder
  • als Investmentfondskaufmann/ –frau oder
  • als geprüfte/-r Fachberater/ -in für Finanzdienstleistungen (IHK) 
4. Der erfolgreiche Abschluss eines mathematischen, wirtschaftswissenschaftlichen oder rechtswissenschaftlichen Studiums an einer (staatlichen oder staatlich anerkannten) Hochschule oder Berufsakademie wird als Sachkundenachweis anerkannt, wenn in der Regel zusätzlich eine mindestens dreijährige Berufserfahrung im Bereich der Versicherungsvermittlung oder der Versicherungsberatung nachgewiesen wird.  
5. Anerkannt und der Sachkundeprüfung gleichgestellt ist gemäß § 27 VersVermV auch ein vor dem 01.01.2009 abgelegter Abschluss als Versicherungsfachmann oder –frau des Berufsbil­dungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (BWV). 

Die erforderliche Berufserfahrung muss nachgewiesen werden. Dies kann bei einer selbständigen Tätig­keit z. B. durch die Vorlage von Provisionsabrechnungen erfolgen. Bei einer unselbstständigen Tä­tigkeit kann der Nachweis mit einem Arbeitszeugnis oder einer Bestätigung des Arbeitgebers er­bracht werden. Zusätzlich ist das Anlageformular „Erklärung über ununterbrochene Tätigkeit bzw. über die erlangte Berufserfahrung im Bereich der Versicherungsvermittlung“ aus­zufüllen und einzureichen.

9. Gilt der BWV-Ausweis als Berufsqualifikation?

Zum Nachweis der Sachkunde gemäß § 27 VersVermV muss tatsächlich eine schriftliche und praktische Prüfung zur/zum Versicherungsfachfrau/-mann des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (BWV) erfolgreich abgelegt worden sein. Der BWV hat vor Einführung der IHK-Sachkundeprüfung im Zuge eines Anerkennungsverfahrens aufgrund langjähriger Tätigkeit oder einer höherwertigen Bildungsqualifikation auch solche Personen als "Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)" anerkannt, die keine BWV-Prüfung absolviert haben. In diesen Fällen wurde ein sogenannter BWV-Ausweis ausgegeben. Dieser Ausweis kann jedoch – ohne den Nachweis einer erfolgreich abgelegten Prüfung - nicht als Sachkundenachweis im Sinne von § 27 VersVermV anerkannt werden. 

10. Ist der Bankfachwirt als Berufsqualifikation für die Sachkunde anerkannt?

Nein – der Bankfachwirt ist vom Gesetzgeber bewusst nicht in den Katalog von § 5 VersVermV aufgenom­men worden, da der Anteil der versicherungsfachlichen Grundlagen hier nicht in dem Maße gege­ben ist, wie dies bei den übrigen in der VersVermV genannten Berufsqualifikationen der Fall ist. 

11. Werden ausländische Abschlüsse anerkannt?

Im EU-Ausland erworbenen Berufs­qualifikationen können unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden. Bitte setzen Sie sich im Einzelfall mit Ihrer zuständigen IHK in Verbindung.