01.01.2017

Das IHK-Ursprungszeugnis: Ursprungsnachweise

1. Einführung

Ursprungszeugnisse sind nach deutschem Recht öffentliche Urkunden im Sinne des § 415 ZPO. Das Wesen einer öffentlichen Urkunde liegt darin, dass sie bis zum Nachweis des Gegenteils den vollen Beweis für die Richtigkeit des darin bezeugten Inhalts begründet. Wegen dieser Sonderstellung im Rechtsverkehr hat der Gesetzgeber öffentliche Urkunden durch spezielle Vorschriften im Strafgesetzbuch geschützt. So machen sich Mitarbeiter der IHK nach § 348 StGB strafbar, wenn sie vorsätzlich falsche Tatsachen beurkunden. Spiegelbildlich hierzu können aber auch Mitarbeiter eines Unternehmens bestraft werden, wenn sie durch ihre Angaben bewirken, dass ein Ursprungszeugnis mit falschen Angaben ausgestellt wird (§ 271 StGB). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass die IHK alle beantragten Ursprungsangaben in einem Ursprungszeugnis mit der gebotenen Sorgfalt prüfen muss.
Dieser Prüfvorgang kann in zwei Fallgruppen aufgeteilt werden:
a) Waren wurden im eigenen Betrieb hergestellt
Werden Waren einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung unterzogen, so erhält die Ware einen neuen Ursprung, der dem Ort der Be- oder Verarbeitung entspricht (siehe Merkblatt: Materielles Ursprungsrecht). Die IHK kann deshalb für ihre Mitgliedsunternehmen in der Regel problemlos den Warenursprung „Bundesrepublik Deutschland (Europäische Union)" bescheinigen, wenn aus dem Antrag hervorgeht, dass die Waren „im eigenen Betrieb" hergestellt wurden.
Spezielle Nachweise sind nicht erforderlich, weil der IHK normalerweise das gängige Produktionsprogramm bekannt ist und in Zweifelsfällen den Produktionsbetrieb jederzeit leicht vor Ort überprüft werden kann.
b) Handelsware
Bei Ware, die hinzugekauft wurde, ist diese Überprüfung vor Ort natürlich nicht möglich. Soll dennoch ein Ursprungszeugnis ausgestellt werden, so muss der ausgewiesene Warenursprung durch entsprechende Nachweise belegt werden. Im Idealfall geschieht dies durch ein Ursprungszeugnis, das der Lieferant des Antragstellers von seiner Kammer erhalten hat. Hat auch der Vorlieferant die Ware nicht im eigenen Betrieb her-gestellt, so muss auch er von seinem Lieferanten geeignete Nachweise anfordern. Mit jedem Zwischenhändler verlängert sich also die Nachweiskette bis schließlich der Betrieb erreicht wurde, der der Ware durch eine wesentliche Be- oder Verarbeitung den aktuellen Ursprung verliehen hat.

2. Geeignete Ursprungsnachweise

Um den Unternehmen die Beweisführung zu erleichtern, werden nachfolgende Belege alternativ als Ursprungsnachweise anerkannt:
  • (IHK-) Ursprungszeugnisse
    An erster Stelle ist hier das Ursprungszeugnis zu nennen, das von anderen zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen berechtigten Stellen ausgestellt wurde. In Deutschland stellen grundsätzlich die Industrie- und Handelskammern Ursprungszeugnisse aus. Es gibt aber für jedes Land weltweit entsprechende Stellen, die berechtigt sind, Ursprungszeugnisse auszustellen. Es ist also jedem Vorlieferanten möglich, ein (nichtpräferenzielles) Ursprungszeugnis zu erlangen, wenn er denn will! Nicht selten sind nämlich Ursprungszeugnisse im Ausland deutlich teurer. Eine ausführliche Übersicht der ausländischen Stellen kann bei uns angefordert werden.
    Anmerkung: In manchen Ländern können die für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen zuständigen Behörden den Warenursprung auch auf einer gewöhnlichen Handelsrechnung bestätigen. Die Bescheinigung der Behörde erfolgt mit Dienstsiegel und Unterschrift. Diese Ursprungsnachweise sind aber äußerst selten. Wir empfehlen ein (klassisches) Ursprungszeugnis anzufordern. 
  • IHK-Ursprungserklärungen (Einzel- oder Langzeiterklärung)
    Seit einigen Jahren kann ferner die sog. „IHK-Erklärung für den nichtpräferenziellen Ursprung" als Ursprungsnachweis verwendet werden (siehe Anlage). Diese Erklärung ist der präferenziellen Lieferantenerklärung nachempfunden, darf aber nicht mit dieser verwechselt werden, da sie eben „nur" den nichtpräferenziellen Ursprung bescheinigt. 
    Da die Erklärung ohne Mitwirkung der IHK ausgestellt werden darf, sparen die Unternehmen Zeit und Geld. Ferner ist sie für Produzenten interessant, die die deutlich strengeren Präferenzregeln nicht erfüllen und deshalb die (präferenzielle) Lieferantenerklärung nicht ausstellen können. 
    Achtung! Die IHK-Ursprungserklärung ist nur für Waren mit EU-Ursprung geeignet! In der Einzelerklärung kann zwar theoretisch auch ein Drittlandsursprung ausgewiesen werden, aber hierfür wäre dann die Mitwirkung der zuständigen IHK zwingend erforderlich! Das Prozedere ist insofern mit dem klassischen Ursprungszeugnis vergleichbar. Wir empfehlen daher, bei Waren mit Drittlandsursprung das etablierte Ursprungszeugnis zu verwenden.
  • Ursprungserklärungen des Herstellers
    Rechnungen, Lieferscheine und andere Geschäftspapiere von Herstellern aus Deutschland oder der Europäischen Union können als Ursprungsnachweise anerkannt werden, wenn sie zweifelsfrei erkennen lassen, dass die Waren im eigenen Betrieb hergestellt wurden und ihren nichtpräferenziellen Ursprung in Deutschland oder der EU haben. Dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn die Geschäftspapiere eine spezielle Herstellererklärung mit Bezug auf Art. 59 – 61 UZK enthalten.
  • REX-Ursprungserklärung 
    Für Waren aus Entwicklungsländern, die am Allgemeinen Präferenzsystem teilnehmen sowie einigen Freihandelsabkommensländern (Kanada, Japan, Vereinigtes Königreich) wird die REX-Erklärung auf Handelsdokumenten verwendet. Diese REX-Erklärung wird als Ursprungsnachweis für den nichtpräferenziellen Ursprung akzeptiert.
  • Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 / EUR.MED bzw. entsprechende Ursprungserklärungen auf Handelsrechnungen (auch REX)
    Als Nachweis für den nichtpräferenziellen Warenursprung können auch präferenzielle Nachweise anerkannt werden, die nach den in der EU geltenden Vorschriften als Nachweis für Ursprungswaren der Union, eines ihrer Mitgliedsstaaten oder eines anderen Staates gelten. Obwohl eigentlich beide Ursprungsbegriffe streng zu unterscheiden sind, ist dies möglich, weil der präferenzielle Ursprung in der Regel deutlich strengere Anforderungen aufstellt und deshalb die Anforderungen an den nichtpräferenziellen Ursprung „erst recht" erfüllt werden.
    Wichtig! Durch die sukzessive Ausweitung der Pan-Euro-Med-Zone gilt dies allerdings nur noch für Waren, die ihren präferenziellen Ursprung autonom, d.h. ohne Anwendung der Kumulierungsregeln, erworben haben.
  • Lieferantenerklärungen 
    Und schließlich werden auch Lieferantenerklärungen, die ebenfalls als Nachweise für den präferenziellen Ursprung gedacht sind, als Nachweis akzeptiert. Hier ist allerdings zu beachten, dass dies nur für Lieferantenerklärungen für Waren mit Präferenzursprungseigenschaft gilt! Die im Präferenzrecht gelegentlich benötigten Lieferantenerklärungen für Waren ohne Präferenzursprungseigenschaft können von der IHK nicht als Nachweis anerkannt werden!
    Achtung! Für Lieferanten aus der Türkei ist eine spezielle Form der Lieferantenerklärung notwendig! Der Freiverkehrsnachweis A.TR wird nicht anerkannt!

3. Ursprungsnachweise nach Ausstellerland aufgeschlüsselt

Die oben genannten Nachweise können nicht in jedem Land ausgestellt werden. Je nach Sitz des Vorlieferanten ist deshalb wie folgt zu unterscheiden:
Sitz des Vorlieferanten ist in …
a) Deutschland oder einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnis kann für Waren aus allen Ländern verwendet werden!
  • Die IHK-Ursprungserklärung (Einzelerklärung) kann für Waren aus allen Ländern verwendet werden, bei Waren mit Drittlandsursprung ist aber die Mitwirkung (Siegel) der für den Vorlieferanten zuständigen IHK notwendig!
  • Die IHK-Ursprungserklärung (Langzeiterklärung) kann nur für Waren mit EU-Ursprung verwendet werden!
  • Die (präferenzielle) Lieferantenerklärung (Einzel- und Langzeit) kann nur für Waren mit EU-Ursprung verwendet werden oder für Waren mit Ursprung in Ländern, mit denen die EU Präferenzabkommen abgeschlossen hat.
  • Eine Ursprungserklärung des Herstellers auf der Handelsrechnung
    - nur EU-Ursprung oder Ursprung eines EU-Mitgliedslandes
    - nur wenn der Vorlieferant auch Hersteller der Waren ist
    - Erklärung muss zweifelsfrei das nichtpräferenzielle Ursprungsland erkennen lassen
b) einem Land, mit dem die EU ein (beidseitiges) Präferenzabkommen geschlossen hat
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnis kann für Waren aus allen Ländern verwendet werden!
  • Eine Warenverkehrsbescheinigung (EUR.1, EUR-MED) kann nur für Waren mit Ursprung in den Ländern verwendet werden, mit denen die EU ein Präferenzabkommen abgeschlossen hat!
  • Eine Präferenzerklärung auf der Handelsrechnung kann nur für Waren mit Ursprung in den Ländern verwendet werden, mit denen die EU ein Präferenzabkommen abgeschlossen hat!
c) einem Land, dem die EU einseitig Zollpräferenzen (APS) gewährt
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnis kann für Waren aus allen Ländern verwendet werden!
  • Die Ursprungserklärung (APS / REX) auf der Handelsrechnung - Warenursprung muss mit Sitz des Vorlieferanten übereinstimmen!
d) der Türkei
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnis kann für Waren aus alle Ländern verwendet werden!
  • Eine Warenverkehrsbescheinigung (EUR.1, EUR-MED) ist wegen der Zollunion mit der Türkei nur für bestimmte Warengruppen (EGKS und Agrargüter) erforderlich/möglich!
  • Die spezielle Lieferantenerklärung für die Türkei – nicht mit A.TR verwechseln!
e) den USA
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnis kann für Waren aus alle Ländern verwendet werden!
  • Eine spezielle Ursprungserklärung des Lieferanten auf der Handelsrechnung
    - der Erklärung wird nachfolgender Text vorangestellt:  „The undersigned hereby confirms that he is authorized to make the following statement and further confirms that the following is true and correct."
    - danach die eigentliche Erklärung, zum Beispiel: „I hereby certify that the following goods/the goods as per attached invoice are of … origin." 
    - Datum und Unterschrift
f) einem sonstigen Drittland 
Alternativ kommen folgende Nachweise in Betracht:
  • Das (klassische) Ursprungszeugnisse kann für Waren aus allen Ländern verwendet werden!
  • Eine Handelsrechnung oder sonstige Geschäftspapiere können nur verwendet werden, wenn darauf die für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen zuständige Stelle den Warenursprung bestätigt hat!
Wichtig! Die obigen Aufzählungen sind abschließend, d. h. andere als die genannten Nachweise können nicht anerkannt werden!

4. Dokumentenmanagement

Da das Ursprungszeugnis eine öffentliche Urkunde ist und damit Beweiskraft für und gegen jedermann entfaltet, kann die IHK nur nachweisbare Ursprungsangaben bescheinigen! Soweit also die Waren nicht im eigenen Betrieb hergestellt wurden, muss für jede einzelne Warenposition des Ursprungszeugnisses ein Ursprungsnachweis vorgelegt werden. Es existieren keine Ausnahmen! Auch nicht für Kleinteile oder geringwertige Positionen!
Das bedeutet, dass für Waren, deren Ursprung unbekannt ist bzw. für die kein Nachweis vorgelegt werden kann, kein Ursprungszeugnis ausgestellt werden darf. Sie können deshalb folgerichtig nicht in Länder exportiert werden, die für die Importabwicklung ein Ursprungszeugnis zwingend vorschreiben. 
Da die nachträgliche Beschaffung von Nachweisen häufig sehr zeitaufwendig und nicht selten ganz unmöglich ist, raten wir allen Betrieben, direkt bei der Auftragserteilung entsprechende Dokumente anzufordern. Da ferner kein gesetzlicher Anspruch gegen den Vorlieferanten auf Ausstellung/Beschaffung von entsprechenden Nachweisen besteht, sollte im Kaufvertrag und/oder den Allgemeinen Einkaufsbedingungen eine eindeutige Verpflichtung des Vorlieferanten festgeschrieben werden. 
Vorsicht bei Ersatzteilen! Insbesondere Maschinen- und Anlagenbauer geraten häufig in Bedrängnis, wenn nachträglich Ersatzteile versendet werden sollen. Bei der Montage der Maschine/Anlage wird normalerweise neuer Ursprung begründet. Der Ursprung der verbauten Einzelteile ist dann ohne Bedeutung. Da dies zudem im eigenen Betrieb erfolgt, ist ferner kein Nachweis erforderlich. Wird aber das Bauteil später einzeln verschickt, muss der Warenursprung durch geeignete Belege nachgewiesen werden. 

5. Fazit

Die IHK-Organisation setzt sich seit jeher für einen freien und fairen Welthandel ein. Die von zahlreichen Ländern verlangten Ursprungszeugnisse sind unserer Ansicht nach nicht nur unverhältnismäßig bürokratisch, sondern auch unnötig. Wir setzen uns deshalb seit Jahren vehement für die Abschaffung dieser Importvor-schriften ein. Die IHK kann sich jedoch über die geltende Rechtslage im In- und Ausland nicht hinwegsetzen. Bitte prüfen Sie deshalb vor Vertragsabschluss, ob die im Importland benötigten Ursprungsnachweise verfügbar sind. Ein vorausschauendes und lückenloses Dokumentenmanagement ist hierfür unverzichtbar.
Anhang
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.

Drittstaaten sind alle Länder, die nicht Mitglied der EU sind.

Achtung! Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, sondern Drittstaat.