25.02.2021

Hinweispflicht über Urlaubsverfall auch bei Langzeiterkrankung?

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfällt der Erholungsurlaub des Arbeitnehmers entgegen der Vorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG dann nicht, wenn dieser seinen Urlaub aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum Ende des Kalenderjahres bzw. in den ersten drei Monaten des Folgejahres nehmen konnte.
Das Bundesurlaubsgesetz ist europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass der (gesetzliche) Urlaubsanspruch bei fortdauernder Krankheit noch bis zum 31.03. des übernächsten Jahres bestehen bleibt, also erst nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des Kalenderjahres, in dem der Urlaub entstanden ist, verfällt. 
Diese Rechtsprechung ist allerdings ins Wanken geraten. 
Bekanntlich hat der EuGH und diesem folgend das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers nicht mehr automatisch mit „Zeitablauf“ verfallen. Sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn rechtzeitig auf den konkret bestehenden Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr und die Gefahr seines Verfalls zum Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums hinweist (Hinweis- oder Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers).  
Die Frage, ob den Arbeitgeber eine solche Hinweisobliegenheit auch bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern trifft, wurde bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH um Beantwortung dieser Frage gebeten (siehe BAG, Beschl. v. 07.07.2020 – 9 AZR 401/19).
Aufgrund der Tatsache, dass der EuGH dem Urlaub sehr große Bedeutung beimisst, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser einen Verfall des Urlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung als unionsrechtswidrig qualifiziert, wenn der Arbeitgeber seine Hinweis- bzw. Obliegenheitspflicht nicht entsprechend erfüllt hat. 
Da auch die Frage, ob Urlaubsabgeltungsansprüche der Verjährung unterliegen, aktuell offen ist, ist Arbeitgebern zur Vermeidung des unter Umständen unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen unbedingt zu empfehlen, in jeder Konstellation, also insbesondere auch im Falle fortdauernd erkrankter Mitarbeiter, ihrer Hinweis- bzw. Mitwirkungsobliegenheit bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nachzukommen.
Praxistipp: Arbeitgeber sollten den Arbeitnehmer daher stets rechtzeitig (nachweislich) auf den konkret bestehenden Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr und die Gefahr seines Verfalls zum Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums ausdrücklich hinweisen.